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Fakten über das Tragen von engen Korsetts (1890)

Aus David Kunzle: ''Fashion and Fetishism''

Der folgende Bericht ist die gekürzte Fassung eines Skriptes, den mir der ehrbare Militärhistoriker Sir Basil Liddell-Hart in festem Glauben an seine Authentizität übergab. Es stammt angeblich aus The Gentlewoman, einer gehobenen Wochenzeitschrift, die 1890 erstmals erschien. Dieses Magazin ist bedauerlicherweise für mich viel zu umfangreich, als daß ich das genaue Datum herausgefunden hätte, aber die Sprachebene des Artikels und besonders der überraschende Schluß, wo die oberen Klassen der Gesellschaft von der Praxis des Eng-Schnürens ausgeschlossen werden, sprechen für seine Authentizität.

Ich interviewte einige der führenden Korsettschneiderinnen, aber auch durch einen Fragebogen, den ich an die bekanntesten ''artistes en corsets'' in London und anderswo schickte, erhielt ich eine Menge interessanter und wertvoller Informationen.

Es gibt nur wenig Zweifel daran, daß das Eng-Schnüren heute beliebter ist als vor einigen Jahren. Wie Madame ... bemerkte, ''werden Frauen immer Taillen haben'', jahrhundertelang waren sie sich nicht schlüssig, ob sie nun, den Vorschriften der Mode folgend, sich der qualvollen Tortur aussetzen oder lieber der 'ungeschnürten' Freiheit frönen sollten.

Ich wollte meine eigene Neugier befriedigen und Informationen für meine Leserinnen sammeln, als ich eines Tages Madame ... anrief, denn ihr großer Kundenkreis und ihre langjährige Geschäftserfahrung ließen darauf schließen, daß ein Gespräch mit ihr lohnend sei.

''Madame ... empfängt sie in wenigen Minuten'', war die Nachricht, welche mir eine junge Verkäuferin mit extrem schmaler Taille überbrachte, nachdem sie Madame meine Karte gezeigt hatte.

Madame ... stellt ihre ''Konfektion'', die vorwiegend aus Korsetts und Unterwäsche besteht, quasi privat in einem Wohnhaus im West End aus; und an den Wäschestücken erkennt man, daß die Kundschaft aus königlichen oder adligen Kreisen stammt.

Die junge Dame, welche mir die Nachricht überbrachte, hatte Anweisung, mir jede gewünschte Auskunft zu geben und mir alles zu zeigen, so weit dies im Rahmen ihrer Möglichkeiten lag. Diese Gelegenheit nutzte ich, um mir das Warenangebot näher zu betrachten, das in zwei großen Räumen, die offensichtlich einmal Empfangshallen gewesen waren, in bezaubernder Weise zur Schau gestellt wurde. Man hatte Kleiderhaken und verschiedene Stühle benutzt, um die Wäschestücke zu präsentieren.

''Madame ist eine wahre Künstlerin im Korsettschneidern'', erklärte meine Führerin, ''sie macht für jede Figur das passende Korsett. Sie legt keinerlei Wert darauf, sofort fertige Artikel zu liefern, aber sie hat immer eine gewisse Anzahl in Vorrat, für etwa 18-20 verschiedene Figurtypen. Dieser Vorrat ist dafür gedacht, Kundinnen in besonders eiligen Fällen auszuhelfen. Oh ja; es gibt spezielle Korsetts für stämmige und für dünne, auch zu verschiedenen Anlässen wie zum Rudern, zum Tennisspielen, zum Reiten, und sogar zum Schwimmen. Lady X... z. B., wird niemals etwas anderes tragen als hochfeinen Seidensatin, bestickt mit schwarzer Seide und besetzt mit eine ganz bestimmten Sorte von Spitze. Die junge Miss ... hat eine Vorliebe für helles Rot; die ehrenwerte Mrs. ... zieht blaßblau in Kombination mit weißer Spitze vor. Aber hier kommt Madame höchstpersönlich.''

''Nein, es macht mir nichts aus, Ihnen meine Erfahrungen mitzuteilen'', sagte Madame ... , ''natürlich nur unter der Voraussetzung, daß sie meinen Namen nicht erwähnen. Wenn Sie das täten, würde ich womöglich einige meiner Kundinnen verlieren. Wenn Sie Namen veröffentlichen, darf ich Ihnen nur wenige Dinge erzählen.''

Ich beruhigte Madame, indem ich ihr versicherte, daß ihre Identität verborgen bleiben würde.

''Meiner Meinung nach ist die Durchschnittstaille heute schmaler als sie es vor zwei oder drei Jahren war, und ich denke, sie wird noch schmaler werden. Viele meiner Kundinnen schnüren sich ganz extrem eng, obwohl ich diese Praxis weder gutgeheißen noch irgendjemanden je dazu ermutigt/aufgefordert hätte. Sehen Sie, ich bin keine Damenschneiderin, die, um sich die Fertigung maßgeschneiderter Kleidung möglichst einfach zu machen, ihre Kundinnen dazu bringen muß, einen harten, hölzernen Körper zu haben. Wie auch immer, es scheinen nur wenige zu sein, deren Gesundheit deshalb Schaden nimmt'', fügt Madame nach kurzer Pause hinzu. ''Das ist ja auch ganz klar. Mäßiges Schnüren ist meiner Meinung nach ganz unschädlich, das extreme Eng-Schnüren ist das Gefährliche.''

''Was bringt Frauen dazu, sich zu schnüren?'' fährt Madame fort, indem sie meine Frage wiederholt. ''Das ist schwer zu sagen, wahrscheinlich ist es zum größten Teil Eitelkeit und der Wunsch, schmäler zu sein als die anderen. Einige wenige tun es zweifelsohne deshalb, weil ihnen die Empfindungen mit extrem eng geschnürter Taille - wenn sie die Schmerzen erst einmal überwunden haben - nicht unangenehm sind. Wenn Sie, wie ich früher in Paris, sehr eng geschnürt wären, würden Sie es besser verstehen. Schauen Sie sich dieses hier an''. Sie nahm ein weißes ''coutil'' Korsett mit hellblauem Spitzenbesatz aus einem Schaukasten, ''ich habe es vor zehn Tagen gemacht, und nun hat Miss de L... es zum Reparieren zurückgeschickt. Es ist 17 Zoll (43,2 cm) weit und als sie es anziehen wollte, riß es an einer oder zwei Stellen. Der eigentliche Grund ist ihre jüngere Schwester, die eine moderne französische Schule in Brüssel besucht und die vor kurzem mit einem Taillenumfang von 16 Zoll (40,6 cm) nach Hause kam. Miss de L... möchte natürlich ebenso schmal sein, obwohl sie nicht annähernd so zierlich gebaut ist.''

''Wird das Eng-Schnüren in Schulen häufig praktiziert?'' fragten wir.

''Nun'', antwortete Madame ..., ''in den meisten Schulen sicherlich nicht, aber ich weiß von einer - zwei - drei - vier - fünf, ja fünf, man nennt sie finishing-schools, wo die jungen Damen zum extremen Eng-Schnüren ermutigt werden; und von weiteren zwei, wo die Schülerinnen im Rahmen des Unterrichts eng geschnürt werden. Oh, ich kann Ihnen die Namen dieser Schulen nicht sagen, auf keinen Fall, aber zwei davon sind in London und die anderen, mit Ausnahme von einer, sind alle im Umkreis von 100 Meilen um London herum.''

''Der kleinste und der größte Taillenumfang der Korsetts, die ich je gemacht habe? Aus dem Kopf kann ich es nicht mit Sicherheit sagen, aber ich glaube, der größte Taillenumfang betrug 39 Zoll (99,1 cm) und der kleinste 13 Zoll (33 cm). Ein 13-Zoll-Korsett für eine Kundin von außerhalb ist gerade fertig geworden. Miss G..., ist das Korsett für die Countess of M.... schon verpackt?

''Nein, Madame, hier ist es.''

Miss G... hatte es gebracht, und Madame reichte es mir. Es war wunderschön gearbeitet aus hellblauem Satin, und es schien so zart/zerbrechlich, daß ich kaum wagte, es anzufassen.

''Trägt denn die Gräfin das wirklich?'' fragte ich ungläubig.

''Aber natürlich, meine Liebe'', rief Madame aus, ''und sie hat - vom modischen Standpunkt aus gesehen - die beste Figur, die ich je sah.''

''Obwohl ich, wie Sie wissen, sehr viele Kundinnen habe, sind doch wenige darunter, die sich so eng schnüren wie die Gräfin; da sind zwei junge Damen, die Töchter eines Baumwollspinners aus dem Norden Englands, die es auch tun, und ein weiteres Dutzend meiner Kundinnen könnten sich gut auf unter 16 Zoll (40,6 cm) schnüren. Es sind meistens übertrieben modebewußte Adlige, Angehörige der Nouveau riche - Klasse und der unteren Mittelschicht, die sich so eng schnüren.''

''Werden Kinder heutzutage früher geschnürt als noch vor einigen Jahren?'' fragte ich.

''Aber ja, ganz sicher. Viele junge Mädchen tragen mit 13 Jahren regelmäßig ein Korsett, und mit 14 oder 15 sind sie schon ganz schön eng geschnürt...

Manche Frauen kann man so eng schnüren, wie man will, sie scheinen es gut zu vertragen, während ich andere erlebt habe, die, wenn sie nur mäßig eng geschnürt wurden, schon leichenblaß waren. Oh ja, ich habe schon einige komische Dinge gesehen, und ganz erstaunliche Mittel und Wege, schlank zu werden und Korsetts zuzuschnüren, die zwei oder drei Nummern zu klein waren. Wissen Sie, einige meiner Kundinnen tragen kaum Unterwäsche, wenn das Wetter auch nur annähernd mild ist. Sie würden es kaum glauben, wenn Sie wüßten, was manche riskieren oder ertragen, um eine schmale Taille zu bekommen oder zu behalten..''

(Im nächsten Geschäft, das ich mir anschaute, das von Mrs.....):

In diesem Geschäft waren zwei Verkäuferinnen. Die jüngere von beiden hatte eine so ungewöhnlich schmale Taille, daß es mir schier unmöglich war, den Blick davon abzuwenden. Ich befand mich in einem ''Paradies für Damen'', ja, dieser Ausdruck scheint mir gerechtfertigt zu sein. Zierliche und verschwenderisch mit Bändern und Spitze geschmückte Wäschestücke aller möglichen Formen und Materialien, von Seide bis hin zu feinster, ganz dünner Baumwolle waren hier ausgestellt oder nachlässig über Stühle oder auf Sofas geworfen. In einer Art Nische am Ende des Raumes, die anscheinend das Allerheiligste war, sahen wir zwei lebensgroße Figuren, an denen die neueste Unterwäschenmode ausgestellt wurde, allerdings konnten wir nur einen kurzen Blick darauf erhaschen, denn das Allerheiligste war durch einen Vorhang von dem Raum abgetrennt.

Mrs. -- war zugleich höflich und kommunikativ, und ihre Aussagen bestätigten, was Madame ebenfalls festgestellt hatte, nämlich daß sich das Eng-Schnüren immer größerer Beliebtheit erfreute.

''Hier in London bin ich dafür bekannt'', sagte sie, ''daß sich meine Kundinnen am engsten schnüren, und ich denke, daß einige der Taillen, die von meinen Korsetts umschlossen werden, kaum zu unterbieten sind. Wissen Sie'', so fuhr sie fort, ''ich denke, daß einige meiner Kundinnen die Gefühle beim Eng-Geschnürtsein gerne mögen, andernfalls würden sie niemals diese Mühen und Anstrengungen auf sich nehmen, wie sie es tun, um schlank zu werden, sie halten Diät und manche schlafen mit Korsett.''

''Schlafen mit Korsett!'' rief ich aus.

''Oh ja, recht viele, besonders junge Frauen tun das; ein Opern- oder Reitkorsett ist sehr gut geeignet für diesen Zweck. Lassen Sie mich nachdenken. Ja! Das größte Korsett, das ich je gemacht habe, hatte einen Taillenumfang von 35 Zoll (89 cm). Das schmalste - nun, sie glauben mir vielleicht nicht, aber es maß 12,5 Zoll (31,8 cm). Nein, ich denke, sie kann es nicht ganz zumachen. Jede Taillenweite unter 15 Zoll (38,1) bedeutet für die meisten Frauen, daß sie sich ganz beträchtlich schnüren müssen. Ich habe es erlebt, daß eine junge Frau fünf oder sechs starke Schnüre auseinanderriß, weil sie unbedingt ihr Korsett ganz zumachen wollte.''

''Wie schmal ist die Taille Ihrer hübschen Verkäuferin?'' fragte ich.

''Die von Miss ---? Normalerweise so 14 bis 14,5 Zoll (35,6 bis 36,8 cm).''

''Es scheint ihr überhaupt nichts auszumachen.'' bemerkte ich.

''Oh, nein, sie ist daran gewöhnt. Ich finde, es ist das Beste für alle meine Verkäuferinnen, eine schlanke Figur zu haben; aber sie hat sich aus freiem Willen so eng geschnürt. Viele meiner Kundinnen schnüren sich auf 17, 16 und sogar 15 Zoll (43,2; 40,6; 38,1 cm). Ich vermute, daß Sie bisher noch keine Taille gesehen haben, die schmaler war als die von Miss ---.''

''Sie haben recht.''

''Würden Sie gerne?''

''Ja'', antwortete ich, ''wenn das möglich wäre.''

Mrs. .... klingelte.

''Sagen Sie Miss --, daß sie zu mir kommen soll.''

Ein paar Minuten später kam die junge Frau und sie ging zusammen mit Mrs. .... in das Allerheiligste. Es wurde eine weitere Verkäuferin gerufen und sie flüsterten sich Dinge zu. Ein, zwei Minuten später hörten wir Mrs. .... fragen: ''Können Sie es aushalten?'' und die Antwort: ''Aber ja, Madame.''

Nochmals die Stimme von Mrs. ....: ''So, Miss --, ich denke, das Korsett ist zu, binden Sie nun die Schnüre fest.''

Zwei, drei Minuten später traten Mrs. .... und Miss -- aus dem Allerheiligsten, die letztere war umschlossen von einem schwarzseidenen Korsett mit langer Taille, worin ihre Taille kaum breiter aussah als ihr Hals. Es schien unglaublich, daß ein Mädchen - denn mehr war sie nicht - ohne scheinbares Unwohlsein atmen und sich bewegen, geschweige denn arbeiten konnte, obwohl sie so eng geschnürt war.

''Ich vermute'', sagte Mrs. ...., belustigt über meine erstaunte Mine, ''daß Sie nun glauben, was ich Ihnen vorhin gesagt habe, daß ein gutes Korsett und starke Arme es vermögen, die Taille einer Frau auf jede gewünschte Größe zu reduzieren. Sehen Sie!'' rief sie und nahm ein herumliegendes Maßband auf, ''Miss B--'s hat gerade 13 - 13 1/4 Zoll (33 - 33,65 cm).''

''Wie lange ertragen Sie es, so eng geschnürt zu sein?'' fragte ich.

Miss -- lächelte. ''Nicht sehr lange - es ist ziemlich schmerzhaft - eine halbe Stunde, vielleicht eine Stunde.''

Als wir gingen, sagte Mrs. ...: ''Wissen Sie, ich denke, daß das Eng-Schnüren für manche Frauen eine Leidenschaft ist, aber im positiven Sinne. Zwei meiner Kundinnen z. B. - Schauspielerinnen - tragen normalerweise eine Taillenweite von etwa 19 Zoll (48,3 cm). Nun, aber zu Hause lassen sie sich von ihren Dienerinnen so eng schnüren, wie es nur geht.''

Ich besuchte noch verschiedene andere führende Schneider, aber im großen und ganzen bekam ich überall die gleichen Informationen, so daß ich jetzt nicht weiter ins Detail gehen möchte.

Mit einer sehr bekannten und beliebten Korsettschneiderin konnte ich nicht persönlich sprechen, aber sie versprach, mir nach ihren Möglichkeiten alle gewünschten Informationen in Briefen mitzuteilen. Dadurch kam ich auf die Idee einer neuen, erweiterten Form der Nachforschung, eine Art Symposium der ''Korsettfrage''. Das Ergebnis präsentiere ich Ihnen hiermit:



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